November 2015

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Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts vor

Die Bundesregierung legte am 7.9.2015 den „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ vor. Der Entwurf ist jedoch nach wie vor als deutliche Verschlechterung gegenüber dem aktuell noch geltenden Recht einzuordnen. Hier die vorläufig geplanten Regelungsinhalte des Gesetzentwurfs im Einzelnen:

1. Begünstigtes Vermögen: Das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sieht eine Verschonung vor, wenn das Betriebsvermögen einen Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % erreicht. Zukünftig soll nach dem Entwurf nur das sog. begünstigte Vermögen verschont werden – also ein Vermögen, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Damit sollen Gestaltungsmöglichkeiten wie das Ausnutzen von 50 % Verwaltungsvermögen auf jeder Firmenebene (sogenannte Kaskadeneffekte in Beteiligungsgesellschaften) ausgeschlossen werden. Hierzu liegt aber vom Bundesrat bereits ein alternativer, konkretisierender Vorschlag zum Verwaltungsvermögen vor.

2. Verschonungsregeln: Wie im bisher geltenden Recht wird das begünstigte Vermögen nach Wahl des Erwerbers zu 85 % oder zu 100 % von der Erbschaft und Schenkungsteuer befreit, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

Entscheidet sich der Erwerber für die Verschonung in Höhe von 85 % des begünstigten Vermögens, muss er den Betrieb mindestens 5 Jahre fortführen (Behaltensfrist) und nachweisen, dass die Lohnsumme innerhalb dieser Zeit nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Lohnsummenregelung). Bei der Wahl der vollständigen Befreiung von der Erbschaftsteuer muss der Erwerber die Behaltensfrist von 7 Jahren einhalten und nachweisen, dass er insgesamt die Lohnsumme von 700 % in dieser Zeit nicht unterschreitet.

3. Kleine Unternehmen: Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten waren bisher von der Lohnsummenregelung unabhängig von ihrer Größe gänzlich ausgenommen. In Zukunft soll gelten:

  • Bei Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten wird auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet.

  • Bei Unternehmen mit 4 bis 10 Beschäftigten gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens 5 Jahren die Lohnsumme 250 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens 7 Jahren darf die Lohnsumme 500 % nicht unterschreiten.

  • Bei Unternehmen mit 11 bis 15 Beschäftigten gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens 5 Jahren die Lohnsumme 300 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens 7 Jahren darf die Lohnsumme 565 % nicht unterschreiten.

  • Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit, Langzeiterkrankte und Auszubildende werden nicht mitgerechnet.

4. Große Betriebsvermögen: Nach dem derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gelten die Verschonungsregeln auch bei der Übertragung von großen Betriebsvermögen, ohne dass geprüft wird, ob es überhaupt einer Verschonung bedarf. Diese Verschonungsregeln waren vom Verfassungsgericht verworfen worden.

Beim Erwerb großer Vermögen über 26 Millionen € wird daher ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung und einem Verschonungsabschlag eingeführt. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung hat der Erwerber nachzuweisen, dass er nicht in der Lage sein würde, die Steuerschuld mit anderem als Betriebsvermögen zu zahlen. „Genügt dieses Vermögen nicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen“, heißt es in dem Entwurf.

Alternativ zur Verschonungsbedarfsprüfung ist ein Verschonungsabschlag möglich. Dabei beträgt der Abschlag 85 % bei einer Haltefrist von 5 Jahren beziehungsweise 100 % bei einer Haltefrist von 7 Jahren. Bei Vermögen über 26 Millionen € sinkt der Abschlag schrittweise (Verschonungsabschmelzmodell).

Ab 116 Millionen € gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 % bei einer Haltedauer von 5 Jahren (bei 7 Jahren 35 %). Für Familienunternehmen mit bestimmten gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen können andere Beträge gelten. Die Prüfschwelle erhöht sich auf 52 Millionen €, wenn bestimmte qualitative Merkmale in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorliegen.

Bitte beachten Sie! Der Gesetzentwurf ist noch im Beratungsstadium, die Details noch vielfach umstritten. Dazu liegen auch Korrekturvorschläge des Bundesrates vor. Über die genauen Regelungen informieren wir Sie bei Vorliegen konkreter Informationen.

Höhere Anforderung an Registrierkassen ab 2017

Bereits mit Schreiben vom 26.11.2010 nahm das Bundesfinanzministerium (BMF) zur Aufbewahrung der mittels Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxametern und Wegstreckenzählern erfassten Geschäftsvorfälle Stellung.

Danach müssen alle steuerlich relevanten Einzeldaten einschließlich der mit einer Registrierkasse erzeugten Rechnungen unveränderbar und vollständig aufbewahrt werden. Eine Verdichtung ist ebenso unzulässig wie eine Aufbewahrung ausschließlich in ausgedruckter Form.

Nach der im BMF-Schreiben vertretenen Auffassung müssen auch die Registrierkassen sowie die mit ihrer Hilfe erstellten digitalen Unterlagen seit dem 1.1.2002 neben den „Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)“ auch den „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ entsprechen. Danach müssen die digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen in einem auswertbaren Datenformat vorliegen.

Ist die komplette Speicherung aller steuerlich relevanten Daten – bei der Registrierkasse insbesondere Journal-, Auswertungs-, Programmier- und Stammdatenänderungsdaten – innerhalb des Geräts nicht oder nicht dauerhaft möglich, müssen diese Daten unveränderbar und maschinell auswertbar auf einem externen Datenträger gespeichert werden. Ein Archivsystem muss die gleichen Auswertungen wie jene im laufenden System ermöglichen.

Die vorgenannten Ausführungen gelten auch für die mit Hilfe eines Taxameters oder Wegstreckenzählers erstellten digitalen Unterlagen, soweit diese Grundlage für Eintragungen auf einem Schichtzettel sind. Dies gilt für Unternehmer ohne Fremdpersonal entsprechend.

Bitte beachten Sie! Steuerpflichtige, die Registrierkassen führen, müssen nun überprüfen, ob das von ihnen eingesetzte Gerät den erhöhten Anforderungen genügt. Ist das nicht oder nicht vollständig der Fall, wird es zunächst nicht beanstandet, wenn das Registriergerät längstens bis zum 31.12.2016 weiterhin im Betrieb genutzt wird. Hier sollte also dringend der Austausch veralteter Kassen in Angriff genommen werden. Entsprechen die Kassen nicht mehr den Anforderungen der Finanzverwaltung, drohen Schätzungen.

Automatischer internationaler Austausch von Kontodaten ab 2016

Finanzinstitute müssen künftig einmal im Jahr bestimmte Daten von Konten übermitteln, damit die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zum Austausch von Informationen über Finanzkonten mit anderen Ländern nachkommen kann. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 7.9.2015 vor.

Zur Begründung heißt es, in den zurückliegenden Jahren hätten sich grenzüberschreitender Steuerbetrug und grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Herausforderung für die Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten entwickelt.

Grundlage für den automatischen Datenaustausch sind unter anderem eine von der Bundesrepublik und 50 anderen Staaten am 9.12.2014 geschlossene Vereinbarung und die EU-Amtshilferichtlinie. Die Finanzinstitute haben dem Bundeszentralamt für Steuern die Daten jeweils zum 31. Juli eines Jahres für das vorhergehende Kalenderjahr zu übermitteln- beginnend zum 31.7.2017 für 2016.

Finanzinstitute müssen demnach Daten von Konten übermitteln, die diese für in anderen Vertragsstaaten beziehungsweise EU-Mitgliedstaaten steuerpflichtige Personen führen. Mitgeteilt werden müssen Name, Anschrift, Steueridentifikationsnummer sowie Geburtsdaten und -ort jeder meldepflichtigen Person, die Kontonummer, die Jahresenddaten der Finanzkonten sowie gutgeschriebene Kapitalerträge.

Im Gegenzug sind die anderen Staaten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, entsprechende Informationen zu Finanzkonten von in der Bundesrepublik steuerpflichtigen Personen zu übermitteln.

Beschäftigung von Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Geduldeten

Bei der Beschäftigung von geflüchteten Menschen im Privathaushalt oder im Unternehmen sind bestimmte Spielregeln einzuhalten. Hier gilt es je nach Stand des Asylverfahrens zwischen folgenden Personenkreisen zu unterscheiden:

  • Asylsuchende mit noch nicht abgeschlossenen Verfahren (Aufenthaltsgestattung liegt vor)

  • Geduldete Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, welche aus Gründen von Krankheit o. Ä. nicht abgeschoben werden können

  • Anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis

Anerkannte Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen dürfen jede Beschäftigung annehmen – hier müssen Betriebe keine Besonderheiten beachten.

Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und geduldete Personen können nicht ohne Weiteres einen Job ausüben. Für beide Gruppen kann die Ausländerbehörde nach Ablauf der Wartezeit von 3 Monaten eine Arbeitserlaubnis erteilen. Hier muss die Erlaubnis für eine konkrete Beschäftigung bei der Ausländerbehörde beantragt werden. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit wird eine Zustimmung oder Ablehnung erteilt. Ausnahmeregelungen gelten für bestimmte Personen in sog. „Engpassberufen“.

Minijob: Haben Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis, können sie auch einen Minijob ausüben. Hierzu teilt die Minijobzentrale mit, dass Arbeitgeber für diese Personen keinen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung zahlen müssen, da Flüchtlinge in Deutschland nicht gesetzlich krankenversichert sind. Ansonsten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die gleichen Rechte und Pflichten wie bei jedem anderen Arbeitsverhältnis.

Kurzfristige Beschäftigung: Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung von vornherein auf nicht mehr als 3 Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt ist. Ausgenommen hiervon sind Personen, die „berufsmäßig beschäftigt“ sind und mehr als 450 € im Monat verdienen. Berufsmäßig wird eine Beschäftigung dann ausgeübt, wenn sie für den Arbeitnehmer nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Dies trifft nach einer Mitteilung der Minijobzentrale auf geflüchtete Menschen zu. Verdienen sie also mehr als 450 € im Monat, sind sie immer berufsmäßig beschäftigt, sodass eine kurzfristige Beschäftigung ausgeschlossen ist.

Steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge

Zur Förderung und Unterstützung des gesamtgesellschaftlichen Engagements bei der Hilfe für Flüchtlinge hat das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder u. a. folgende steuerliche Maßnahmen (gültig vom 1. 8.2015 bis 31.12.2016) getroffen:

  • Für Sonderkonten von Hilfsorganisationen zur Unterstützung von Flüchtlingen gilt der vereinfachte Zuwendungsnachweis. Als Spendennachweis genügt zum Beispiel auch ein Bareinzahlungsbeleg, der Kontoauszug eines Kreditinstituts oder der PC-Ausdruck bei Onlinebanking. Eine Betragsbegrenzung gibt es nicht.

  • Alle gemeinnützigen Organisationen dürfen unabhängig von ihren eigentlichen Satzungszwecken Spenden für Flüchtlinge sammeln. Auf die Sonderaktion ist hinzuweisen. Damit können auch Vereine unbürokratisch helfen.

  • Nachweiserleichterungen für gemeinnützige Organisationen bei Unterstützung von Flüchtlingen: So kann bei Flüchtlingen insbesondere auf den Nachweis der Hilfebedürftigkeit verzichtet werden.

  • Alle gemeinnützigen Organisationen dürfen ihre bisher unverbrauchten Mittel zur Unterstützung von Flüchtlingen verwenden. Sichergestellt werden muss aber, dass diese Mittel vom Spender nicht mit einer anderen Verwendungsbestimmung versehen sind.

Besondere Regelungen sind auch für Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen, Arbeitslohnspenden, bei Aufsichtsratsvergütungen und der Schenkungsteuer getroffen.

Umfassende Neuregelung der Immobilienfinanzierung geplant

Die Vergabe von Immobilienkrediten soll umfassend neu geregelt werden. Das sieht der „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“ vom 7.9.2015 vor, mit dem schwerpunktmäßig eine EU-Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge umgesetzt werden soll.

Damit wird ein „hohes Verbraucherschutzniveau“ geschaffen und die Vorgaben zur Darlehensvergabe und -vermittlung EU-weit harmonisiert werden. Die entsprechende Richtlinie führt zu Änderungen im gesamten Prozess der Immobilienkreditvergabe – von der Werbung über Kreditwürdigkeitsprüfung bis hin zu Beratungsleistungen. Gelten sollen die Vorschriften sowohl für Darlehensgeber als auch Vermittler.

So ist in dem Entwurf vorgesehen, dass bereits zur Erstellung der vorvertraglichen Informationen die Kreditwürdigkeit des Darlehensinteressenten zu prüfen ist. Diese Prüfpflicht soll künftig zudem nicht nur aufsichtsrechtlich, sondern auch zivilrechtlich mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten ausgestaltet werden. Ist die Kreditwürdigkeit eines Interessenten nicht gegeben, soll es künftig verboten sein, einen Vertrag abzuschließen.

Ein weitgehendes Verbot ist zudem für sogenannte Koppelungsgeschäfte vorgesehen, sofern das zu koppelnde Finanzprodukt nicht ausnahmsweise im Interesse der Verbraucher liegt. Auch die Vorgaben für die Beratung bei der Darlehnsvergabe sollen rechtlich normiert werden. Ebenso ist geplant, die Berechnung des effektiven Jahreszinses einheitlich zu regeln. Immobiliendarlehensvermittler müssen sich laut dem Entwurf künftig registrieren lassen.

Die geplanten Neuregelungen erfassen nicht mehr nur grundpfandrechtlich besicherte Darlehen, die zu üblichen Konditionen vergeben werden, sondern sämtliche grundpfandrechtlichen oder durch eine Reallast besicherten Darlehen, die auf den Erwerb einer Immobilie, eines Rechts an einer Immobilie oder eines vergleichbaren Rechts gerichtet sind, auch wenn sie nicht durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind.

Des Weiteren sollen Darlehensgeber dazu verpflichtet werden, bei „dauerhafter und erheblicher Überziehung“ des Kontos eines Darlehensnehmers eine Beratung über kostengünstigere Alternativen zur genutzten Überziehungsmöglichkeit anzubieten.

Änderungskündigung zur Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld aufgrund höheren Stundenlohnes

Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber aufgrund des ab 1.1.2015 maßgeblichen Mindestlohns bisher zusätzlich zu einem Stundenlohn unterhalb des Mindestlohns gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen will, ist unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) in mehreren Urteilen entschieden.

In den zugrunde liegenden Arbeitsverträgen ist neben dem Stundenlohn eine von der Betriebszugehörigkeit abhängige Sonderzahlung zum Jahresende in Höhe eines halben Monatsentgelts, teilweise mit Kürzungsmöglichkeit im Falle von Krankheitszeiten, sowie ein zusätzliches Urlaubsgeld für die Zeit gewährten Urlaubs und eine Leistungszulage vereinbart. Durch eine Änderungskündigung sollten diese Leistungen gestrichen und stattdessen ein Stundenlohn in Höhe des Mindestlohns bzw. geringfügig darüber gezahlt werden.

Die Änderungskündigungen sind unwirksam. Jedenfalls bei dem zusätzlichen Urlaubsgeld, abhängig von der Vertragsgestaltung auch bei der Sonderzuwendung, handelte es sich in den vorliegenden Fällen um Leistungen, die nicht im engeren Sinne der Bezahlung der Arbeitsleistung dienten, sondern um eine zusätzliche Prämie. Diese können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, sondern stehen den Beschäftigten zusätzlich zu. Eine Änderungskündigung zwecks Streichung dieser Leistungen setzt voraus, dass andernfalls der Fortbestand des Betriebes mit den vorhandenen Arbeitsplätzen gefährdet ist.

Anmerkung: In einem darüber hinaus auf Zahlung der Leistungszulage gerichteten Fall hat das LAG entschieden, dass diese auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen und nicht zusätzlich zum Mindestlohn zu zahlen ist.

Fahrten ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort sind Arbeitszeit und keine Ruhezeit

Die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, stellen keine Ruhezeit, sondern Arbeitszeit dar.

Dieses entschieden die Richter des Europäischen Gerichtshofs in ihrem Urteil vom 10.9.2015. In einer Unionsrichtlinie ist die Arbeitszeit als jede Zeitspanne definiert, während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne, die keine Arbeitszeit ist, gilt als Ruhezeit.

Den Richtern des Europäischen Gerichtshofs zur Entscheidung lag folgender Sachverhalt vor: Bei einem spanischen Unternehmen angestellte Techniker installieren und warten Sicherheitsvorrichtungen in Häusern sowie industriellen und gewerblichen Einrichtungen in dem ihnen zugewiesenen Gebiet, sodass sie keinen festen Arbeitsort haben. Den Arbeitnehmern steht jeweils ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, um täglich von ihrem Wohnort zu den verschiedenen Arbeitsorten und am Ende des Tages zurück nach Hause zu fahren. Die Entfernung zwischen dem Wohnort der Arbeitnehmer und ihren Einsatzorten kann beträchtlich variieren und manchmal über 100 Kilometer bzw. bis zu drei Stunden betragen.

In ihrem Urteil führten die Richter aus, dass die Fahrzeit, die Arbeitnehmer, die keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort haben, für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwenden, Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie darstellt. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist bei Arbeitnehmern, die sich in einer solchen Situation befinden, anzunehmen, dass sie während der gesamten Fahrzeit ihre Tätigkeiten ausüben oder ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Fahrten der Arbeitnehmer zu den von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden sind das notwendige Mittel, um an den Standorten dieser Kunden technische Leistungen zu erbringen.

Haftung bei Autokollision mit „herrenlosem“ Einkaufswagen

Ein Ladenbesitzer muss auch nach Geschäftsschluss dafür Sorge tragen, dass seine Einkaufswagen sicher abgestellt sind. Einkaufswagen sind so zu sichern, dass sie von Unbefugten nicht benutzt und auch nicht selbstständig wegrollen können. Das haben die Richter des Oberlandesgerichts Hamm in ihrem Urteil vom 18.8.2015 entschieden.

In einem Fall aus der Praxis befuhr ein Autofahrer mit seinem Pkw eine Straße und stieß vor einem Lebensmittelmarkt mit einem Einkaufswagen zusammen, der nach der Darstellung des Autofahrers kurz vor dem Vorbeifahren des Fahrzeugs unvermittelt auf die Straße gerollt war. Seinen Fahrzeugschaden in Höhe von ca. 5.400 € hat der Autofahrer von dem Lebensmittelmarktbesitzer unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ersetzt verlangt. Die Schadensersatzklage war zu 80 % erfolgreich.

In der Urteilsbegründung stellte das Gericht klar, dass der Marktbetreiber haftet, weil er die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Auch nach Geschäftsschluss hat er für das sichere Abstellen der Einkaufswagen vor seinem Geschäft Sorge zu tragen. Dabei muss er der unbefugten Benutzung durch Dritte oder dem selbstständigen Wegrollen der Einkaufswagen entgegenwirken.

Die tatsächlich ergriffenen Sicherungsmaßnahmen waren unzureichend, weil die Einkaufswagen lediglich mittels einer durch sie geführten, unverschlossenen Kette verbunden gewesen waren. Eine weitergehende Sicherung und auch ein die Wagen verbindendes Pfandsystem gab es nicht.

„Eingeschränkte“ Verkehrssicherungspflichten beim winterlichen Betrieb eines Selbstbedienungswaschplatzes

Dass es beim winterlichen Betrieb eines Selbstbedienungswaschplatzes durch betriebsbedingt verspritztes Wasser zu einer – mit vertretbarem Aufwand – nicht zu verhindernden Glättebildung kommen kann, ist allgemein bekannt. Auf diese Gefahr muss ein Kunde deswegen nicht hingewiesen werden. Zu diesem Urteil kam das Oberlandesgericht Hamm (OLG) am 5.10.2015.

Geklagt hatte eine Pkw-Fahrerin, die im Februar 2013 bei Temperaturen im Bereich des Gefrierpunktes eine nahe liegende Selbstbedienungs-Autowaschanlage aufsuchte, um dort ihr Fahrzeug selbst zu waschen. Nachdem sie ihr Auto mittels einer Waschbürste gereinigt hatte, stürzte sie auf dem Weg zu einem Mülleimer ca. 1 m vor ihrem Fahrzeug, nach ihrer Darstellung, weil beim Reinigen verlaufenes Waschwasser zwischenzeitlich an einzelnen Stellen gefroren war. Sie erlitt Frakturen an einem Lendenwirbel und der linken Hand und musste operativ versorgt werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung verlangte die Frau von dem Waschplatzbetreiber Schadensersatz.

Die Richter des OLG konnten aufgrund der konkreten Umstände keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Betreibers feststellen. Zwar trifft einen Betreiber einer Waschanlage grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf betriebsbedingte Gefahrenquellen, an deren Erfüllung insbesondere im Winter erhöhte Anforderungen zu stellen sind.

Im vorliegenden Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass bei einem Waschplatz in Selbstbedienung eine Glatteisbildung nicht durch Regen oder Schnee, sondern durch überfrierendes Waschwasser infrage stehe. Die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers geht nicht so weit, dass er bei fortlaufender Nutzung des Waschplatzes und winterlichen Temperaturen während oder nach jeder SB-Wäsche Maßnahmen zur Verhinderung stellenweiser Blitzeisbildung zu treffen hat.

Anmerkung: Das Urteil des OLG ist nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zum Bundesgerichtshof zugelassen (Az. VI ZR 413/15).

Unfall auf dem Weg zur Arbeit

Beschäftigte sind auf dem unmittelbaren Weg von und zur Arbeit gesetzlich unfallversichert. Erforderlich ist allerdings ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Weg und der versicherten Tätigkeit. Biegt der Versicherte vom unmittelbaren Weg falsch ab, so ist dies unschädlich, solange er am Fahrziel festhält und den Weg zur oder von der Arbeit durch den (verkehrsbedingten) Abweg nur unwesentlich verlängert. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil vom 1.9.2015.

Im entschiedenen Fall wurde ein als Lagerist tätiger Mann aushilfeweise in einem anderen Lager seines Arbeitgebers eingesetzt. Infolge eines verkehrswidrigen Wendemanövers verunglückte er auf einer vierspurigen Bundesstraße. Der Unfallort befindet sich nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da sich der Mann zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Weg befand, ohne dass hierfür betriebliche oder verkehrstechnische Gründe erkennbar waren. Der Verunglückte erklärte, dass er wegen eines Staus eine andere Route gewählt und sich bei schwierigen Licht- und Wetterverhältnissen verfahren hatte.

Die Richter des LSG gaben ihm recht. Verfährt sich ein Versicherter, bleibt er auch auf dem Abweg unfallversichert. Dies gilt jedenfalls so weit aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen ist, dass die Handlungstendenz unverändert darauf gerichtet gewesen ist, den Arbeitsplatz zu erreichen. Eine verminderte Aufmerksamkeit ist insoweit unerheblich. Auch bleibt der Versicherungsschutz bestehen, wenn sich der Autofahrer wegen Dunkelheit, Nebel oder schlechter Beleuchtung verfährt.

Keine abschlagsfreie Rente mit 63 für Bestandsrentner

Rentner, die zum Stichtag der Einführung der neuen abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte am 1.7.2014 bereits eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, können nicht in die neue abschlagsfreie Rente wechseln.

In dem vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall bezog ein Mann ab dem 1.1.2013 eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit mit Abschlägen aufgrund des Rentenbeginns vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Im Juli 2014 beantragte er einen Wechsel in die neu eingeführte abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte, weil er die Voraussetzungen erfülle. Dies lehnte der Rentenversicherungsträger ab, weil ein solcher Wechsel gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Richter gaben dem Rentenversicherungsträger recht.

Bezahlte Raucherpausen – keine betriebliche Übung

Hat der Arbeitgeber während sog. Raucherpausen, für die die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz jederzeit verlassen durften, das Entgelt weitergezahlt, ohne die genaue Häufigkeit und Dauer der jeweiligen Pausen zu kennen, können die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber diese Praxis weiterführt. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nicht.