Juni 2010
Im Verlauf des Jahres 2009 ergab sich in vielen Bereichen des deutschen Steuerrechts fachlich notwendiger Gesetzgebungsbedarf, der wegen des Endes der 16. Legislaturperiode in der zweiten Jahreshälfte 2009 nicht mehr umgesetzt werden konnte. Das Jahressteuergesetz 2010 greift diesen Gesetzgebungsbedarf auf und ergänzt ihn um weitere zwischenzeitlich erforderlich gewordene Maßnahmen. Inhaltlich hervorzuheben sind u. a. folgende steuerliche Regelungen bzw. Regelungsbereiche:
Verluste bei Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs: Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 22.4.2008 entschieden, dass das Ergebnis der Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs innerhalb eines Jahres nach Anschaffung steuerlich anzusetzen ist. Bei der Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie z. B. eines Pkw werden jedoch regelmäßig Verluste erzielt. Der Gesetzgeber will derartige typische – nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht getätigte – Verlustgeschäfte nicht mehr steuerrechtlich wirksam werden lassen. Der Veräußerer hat nur in Ausnahmefällen die Erwartung, z. B. bei der Veräußerung von Antiquitäten, Kunstgegenständen und Oldtimern, kurzfristig Gewinne zu erzielen. Da Gebrauchsgegenstände regelmäßig mit dem Ziel der Nutzung und nicht mit dem Ziel der zeitnahen gewinnbringenden Veräußerung angeschafft werden, stellt der Gesetzgeber nunmehr klar, dass die Veräußerung derartiger Gegenstände nicht steuerbar ist.
Haushaltsnahe Dienstleistungen – öffentlich geförderte Maßnahmen: Steuerpflichtige können für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen auf Antrag eine Steuerermäßigung als Abzug von der Steuerschuld in Höhe von 20 % ihrer Aufwendungen, höchstens 1.200 € im Jahr in Anspruch nehmen. Die Steuerermäßigung gilt nur für Arbeitskosten. Dies gilt nicht für Maßnahmen, die nach dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW durch zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse gefördert werden, um eine Doppelförderung zu vermeiden. Der Ausschluss der Doppelförderung soll auf weitere Förderprogramme ausgeweitet werden, wie z. B. „Altersgerecht umbauen“ oder zur Förderung energetischer Renovierung, Erhaltung und Modernisierung sowie vergleichbare Förderprogramme der Länder. Die Änderung ist erstmals für im Veranlagungszeitraum 2011 geleistete Aufwendungen anzuwenden, soweit die den Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen nach dem 31.12.2010 erbracht worden sind.
Verlustverrechnung bei privaten Veräußerungsgeschäften: Es wird gesetzlich klargestellt, dass die Verluste aus Grundstücksverkäufen und Veräußerungen von anderen Wirtschaftsgütern, die keine Wertpapiere sind, die ab dem 1.1.2009 entstanden sind, keine Altverluste darstellen und somit nicht mit Gewinnen aus Wertpapiergeschäften verrechnet werden können.
Nachträglich erklärte Verluste: Die Besteuerungsgrundlagen sollen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nur in dem Umfang berücksichtigt werden können, in dem sie auch bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt wurden. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gesondert festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr zwar bestandskräftig ist, aber keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind.
Versteuerung von außerordentlichen Einkünften: Durch das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland wurde der Eingangssteuersatz auf 14 % ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gesenkt. Mit der Änderung wird sichergestellt, dass ermäßigt zu besteuernde Einkünfte mindestens dem Eingangssteuersatz unterworfen werden.
Umsatzsteuer: Anpassungen des Umsatzsteuergesetzes an EU-Recht und aktuelle Entwicklungen (z. B. Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs bei der Einfuhr).
Vorsteuerabzug bei privat bzw. geschäftlich genutzten Grundstücken: Das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers, gemischt genutzte Grundstücke, also Grundstücke, die sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf des Personals verwendet werden, im vollen Umfang seinem Unternehmen zuzuordnen, bleibt unberührt. Die Neuregelung stellt einen neuen Vorsteuerausschlusstatbestand dar. Danach ist die Steuer im Zusammenhang mit einem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Dem Vorsteuerausschluss unterliegen auch die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, z. B. Gebäude. Hiervon unberührt bleiben Gegenstände, die umsatzsteuerlich keine Bestandteile des Grundstücks oder Gebäudes sind (z. B. Fotovoltaikanlage). Die Änderungen sind nicht anzuwenden auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern, die vor dem 1.1.2011 fertiggestellt oder angeschafft worden sind.
Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers: Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers soll auf steuerpflichtige Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen und auf die steuerpflichtige Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen erweitert werden. Unter die genannten Umsätze fällt insbesondere die Reinigung von Gebäuden einschließlich Hausfassadenreinigung, von Räumen und von Inventar, einschließlich Fensterreinigung. Bei derartigen Lieferungen und Leistungen an einen Unternehmer, der selbst derartige Lieferungen oder Leistungen erbringt, schuldet nicht (mehr) der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger die Steuer. Steuerschuld und Vorsteuerabzug fallen somit beim Leistungsempfänger zusammen.
Führt der Steuerpflichtige kein Fahrtenbuch, so ist der private Nutzungsanteil eines betrieblichen Fahrzeugs pauschal mit 1 % des inländischen Listenpreises zu bemessen. Fraglich war bis jetzt, ob die Regelung auf alle zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeuge einzeln, also mehrfach anzuwenden ist, wenn nur eine Person die Fahrzeuge auch privat nutzt. Die Finanzverwaltung hatte für diesen Fall die Anweisung erlassen, die 1-%-Regelung nur einmal anzuwenden, und zwar für das Fahrzeug mit dem höchsten Listenpreis. Diese Anweisung hat sie zwischenzeitlich mit Schreiben vom 18.11.2009 – mit Wirkung ab 1.1.2010 – korrigiert.
Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt mit Urteil vom 9.3.2010 die neue Auffassung der Finanzverwaltung, dass die 1-%-Regelung auch dann auf jedes vom Unternehmer privat genutzte Fahrzeug anzuwenden ist, wenn der Unternehmer selbst verschiedene Fahrzeuge zu Privatfahrten nutzt.
Im entschiedenen Fall hielt ein Unternehmensberater mehrere Kraftfahrzeuge in seinem Betriebsvermögen, die er auch privat nutzte. Seine Ehefrau hatte an Eides statt versichert, nur ihr eigenes Fahrzeug zu nutzen- Kinder waren nicht vorhanden. Gleichwohl hatte das Finanzamt die 1-%-Regelung mehrfach angewandt. Dieser Regelung stimmte der BFH nunmehr zu.
Nach seiner Auffassung führt diese Auslegung nicht zu vermeidbaren Härten. Zwar vervielfältigt die mehrfache Anwendung der 1-%-Regelung den zu versteuernden privaten Nutzungsanteil ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Umfang der Privatnutzung. Das ist jedoch Folge der vom tatsächlichen Nutzungsumfang absehenden Konzeption der Typisierungsvorschrift und führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der typisierenden Ermittlung der privaten Nutzungsentnahme, denn die gesetzliche Typisierung ist insoweit nicht zwingend, sondern widerlegbar. Der Steuerpflichtige hat jederzeit die Möglichkeit, den privaten Nutzungsanteil den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend durch Führung eines Fahrtenbuchs zu ermitteln.
Nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren (seit 2009 Teileinkünfteverfahren) sind Erträge und auch Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60 %) steuerpflichtig. Wird demnach nur eine Hälfte steuerlich berücksichtigt, ist die jeweils andere Hälfte der Einnahmen steuerfrei. Der Gesellschafter kann die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben auch nur zur Hälfte absetzen. Die Frage, wie Veräußerungsverluste zu behandeln sind, wenn keine Einnahmen anfallen, war in der Praxis höchst umstritten.
Nach einer zu diesem Sachverhalt getroffenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.6.2009 gilt das Halbeinkünfteverfahren dann nicht, wenn keine Einnahmen angefallen sind. Das grundlegend Neue an dieser Entscheidung ist, dass der Auflösungs- bzw. Veräußerungsverlust in diesem Falle in vollem Umfang steuerlich abziehbar sein muss.
Mit seinem Beschluss vom 18.3.2010 reagiert der BFH auf den Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung zum Urteil vom 25.6.2009 in einem Fall, in dem einem Steuerpflichtigen aufgrund seiner Beteiligung keine Einnahmen zugeflossen sind und die Vorinstanz der Rechtsprechung des BFH folgend das Halbabzugsverbot nicht angewandt hatte. Demnach ist geklärt, dass Erwerbsaufwand im Zusammenhang mit Einkünften aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht nur begrenzt abziehbar ist, wenn dem Steuerpflichtigen keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen zugehen.
Über Fälle, in denen es trotz Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen zu einem Verlust kommt, hat der BFH noch nicht entschieden.
Die Verpflichtung zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen und Dreiecksgeschäften wird ab dem 1.7.2010 von bisher quartalsweise auf monatlich verkürzt. Gleichzeitig wird die Frist zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen vom 10. auf den 25. Tag nach Ablauf des Kalendermonats verlängert. Die bisher geltende Regelung, wonach Unternehmer mit Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung diese auch für die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung in Anspruch nehmen können, wurde jedoch gestrichen, was per Saldo zu einer Verkürzung der Frist führt.
Die Umstellung auf monatliche Meldungen erfolgt zum Zwecke der Bekämpfung des Steuerbetrugs. Durch die Umstellung erhält das Finanzamt schneller als bisher Informationen zu innergemeinschaftlichen Umsätzen.
Ausnahme: Quartalsweise Abgabe gilt für Unternehmer, die innergemeinschaftliche Warenlieferungen und Lieferungen in geringer Höhe bewirken. Hier ist eine Grenze von 100.000 € im Quartal übergangsweise vom 1.7.2010 bis zum 31.12.2011 festgelegt. Diese sinkt ab 2012 auf 50.000 €. Auch hier gilt als Abgabefrist der 25. Tag nach Ablauf des jeweiligen Quartals.
Die Berichtigung einer fehlerhaften oder unvollständigen Zusammenfassenden Meldung ist innerhalb eines Monats vorzunehmen.
Zahllast der Umsatzsteuer-Voranmeldung des letzten Voranmeldungszeitraums im Besteuerungszeitraum (regelmäßig im Monat Dezember) voll angerechnet. Führte die Anrechnung der Sondervorauszahlung zu einem Überschuss, wurde dieser an den Unternehmer erstattet.
Beispiel: U gibt für den Monat Dezember die Umsatzsteuer-Voranmeldung ab. Hieraus ergibt sich eine Zahllast von 5.000 €. Nach Anrechnung der geleisteten Sondervorauszahlung von 10.000 € ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 5.000 €. Dieser Betrag wurde an den Unternehmer für den Voranmeldungszeitraum Dezember erstattet.
Der Bundesfinanzhof (BFH) macht in einem Urteil vom 16.12.2008 deutlich, dass die gezahlte Sondervorauszahlung nichts anderes ist, als eine Vorauszahlung auf die Jahresumsatzsteuer. Wenn nach Anrechnung der Sondervorauszahlung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung noch ein Erstattungsbetrag verbleibt, ist dieser nicht auszuzahlen bzw. zu verrechnen, sondern auf die Jahresumsatzsteuer anzurechnen. Erst wenn nach dieser Anrechnung noch ein Überschuss verbleibt, kommt eine Erstattung an den Unternehmer bzw. eine Verrechnung in Betracht.
Bei Anwendung der BFH-Rechtsprechung ergibt sich für den Beispielsfall, dass der Unternehmer keinen Anspruch auf Auszahlung der 5.000 € hat. Dieser Betrag ist vielmehr bis zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung vorzutragen. Erst wenn die Umsatzsteuer-Jahreserklärung vorliegt, kann die (restliche) Sondervorauszahlung auf die Jahressteuer angerechnet werden. Ergibt sich nach dieser „zweiten“ Anrechnung noch ein Überschuss, ist dieser an den Unternehmer auszuzahlen bzw. zu verrechnen. Das Anrechnungsverfahren ist auch auf folgende Fälle anzuwenden:
Ab 2010 können Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe des existenznotwendigen Versorgungsniveaus als Sonderausgaben abgesetzt werden. Dies bedeutet eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zu den bisherigen Abzugsmöglichkeiten. Nicht abziehbar sind Prämien für Wahltarife, die von den Krankenkassen zusätzlich angeboten werden, sowie Beitragsanteile für einen Krankengeldanspruch. Analog können auch privat Krankenversicherte ihre Beiträge steuerlich geltend machen.
Werden in einem Jahr keine Leistungen in Anspruch genommen, erstatten die privaten Versicherer in der Regel einige Monatsbeiträge. Bei der Ermittlung der Sonderausgaben mindern diese Erstattungen die abzugsfähigen Krankenversicherungsbeiträge im Erstattungsjahr, wodurch sich aber eine geringere Steuerentlastung ergibt. Während dieser Aspekt bisher wegen dem niedrigen Höchstbetrag der abzugsfähigen Aufwendungen keine Rolle gespielt hat, müssen nun Steuerpflichtige überprüfen, ob es sich für sie lohnt, die Erstattungsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen bzw. einen Tarif mit niedrigem Selbstbehalt zu wählen.
Anmerkung: Hier kann keine allgemeingültige Empfehlung gegeben werden. Betroffene Steuerpflichtige sollten sich unbedingt beraten lassen.
Ein Außenprüfungsbedürfnis kann auch angenommen werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige seine Steuererklärungen nicht, unvollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hat. Die Prüfungsbefugnis ist daher nicht nur auf Fälle beschränkt, in denen Einkunftsmillionäre oder eine größere Anzahl von Lebensvorgängen beurteilt werden sollen. Vielmehr kommen auch Fälle in Betracht, bei denen die tatsächlichen (Wohn-)Verhältnisse nur vor Ort in Augenschein genommen und beurteilt werden können.
Im Übrigen dürfen die Finanzbehörden das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat, auswählen. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen.
In manchen Reiseprospekten wird im Zusammenhang mit der Angabe der Kosten für den Hotelaufenthalt und den Flug auf eine Übersicht Bezug genommen, aus der sich für ein bestimmtes Reiseziel – je nach ausgewähltem Hotel, Zimmerkategorie und Reisezeit – ein Grundpreis ergibt. Hinsichtlich der Zu- oder Abschläge für den jeweiligen Abflughafen verweisen solche Prospekte in der Regel darauf, dass sich der Reisepreis je nach Buchungszeitpunkt und Abflughafen um 50 € pro Flugstrecke erhöhen oder ermäßigen kann. Diese Zu- oder Abschläge könnten tagesaktuell beim Reisebüro erfragt werden.
Der Bundesgerichtshof hat in einem so gelagerten Fall entschieden, dass ein „tagesaktuelles Preissystem“, bei dem sich der Reiseveranstalter in seinem Prospekt für die Zeit bis zur Buchung Flughafenzu- und -abschläge bis zu 50 € für jede Flugstrecke vorbehält, nicht gegen geltendes Preisrecht verstößt. Die Werbung des Reiseveranstalters enthält einen Preisanpassungsvorbehalt, der zulässig ist. Ein solcher in der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht geregelter Vorbehalt ermöglicht den Reiseveranstaltern bei katalogbasierten Angeboten eine größere Preisflexibilität, wie sie beim Internetvertrieb ohne Weiteres besteht. Der Veranstalter hat sich in dem beanstandeten Prospekt eine Preisänderung nur in beschränktem Ausmaß (±50 € pro Flugstrecke) und nur hinsichtlich der Flughafenzu- und -abschläge vorbehalten. Auf den Umstand, dass sich die endgültigen Preise in diesem Rahmen noch vor der Buchung ändern könnten, wurde mit ausreichender Deutlichkeit hingewiesen.
Weil der Beruf des Reiseleiters in Deutschland nicht reglementiert ist, können die Reiseleiter im Ausland u. U. Probleme bei der Berufsanerkennung bekommen. So gibt es in Deutschland keine Behörde, die ihnen ihre Berufserfahrung bescheinigen könnte. Einige Mitgliedstaaten tun sich schwer, Arbeitgeberbescheinigungen oder Nachweise des Finanzamtes als gleichwertige Nachweise zu akzeptieren.
Wenn ein Reiseleiter aus einem Land wie Deutschland stammt, in dem der Beruf nicht reglementiert ist, muss er nach Angaben der Bundesregierung nachweisen können, „dass er den Beruf mindestens zwei Jahre während der vorhergehenden zehn Jahre in diesem Mitgliedstaat ausgeübt hat, damit er die Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, der den Beruf des Reiseleiters reglementiert hat, ausüben kann“. Reglementiert ist der Beruf des Reiseleiters in Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich, Belgien, Österreich, Zypern und Malta.
Die Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz bestimmt, dass ein Verbraucher einen Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Strafzahlung und ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Einem Verbraucher, der einen Vertragsabschluss im Fernabsatz widerruft, dürfen demnach die Kosten der Zusendung der Ware nicht auferlegt werden.
So stellte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 15.4.2010 fest, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Waren auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt. Die Bestimmungen der Richtlinie zu den Rechtsfolgen des Widerrufs haben eindeutig zum Ziel, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten erlaubt wäre, zuzulassen, dass im Widerrufsfall die Kosten der Zusendung zulasten dieses Verbrauchers gingen, liefe diesem Ziel zuwider.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt das Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung im Stadium der Insolvenzreife einer GmbH zu einem Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle gegen den Geschäftsführer, wenn dieser an andere Gesellschaftsgläubiger trotz der Insolvenzreife Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren.
In einem solchen Fall kann sich der Geschäftsführer nicht auf eine Pflichtenkollision berufen.In dem vom Bundesgerichtshof am 18.1.2010 entschiedenen Fall hatte ein Geschäftsführer in der Zeit, in der er die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung im Stadium der Insolvenzreife der GmbH an den Sozialversicherungsträger nicht abgeführt hat, Nettolöhne an die Mitarbeiter ausgezahlt.
Der Außenanstrich von Türen und Fenstern sowie das Abziehen und Wiederherstellen einer Parkettversiegelung sind keine Schönheitsreparaturmaßnahmen. Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen stellt eine einheitliche Rechtspflicht dar.
Ist diese Pflicht formularvertraglich so ausgestaltet, dass sie hinsichtlich der zeitlichen Modalitäten, der Ausführungsart oder des gegenständlichen Umfangs der Schönheitsreparaturen den Mieter übermäßig belastet, so ist die Klausel nicht nur insoweit, sondern insgesamt wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.
In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall vom 27.1.2010 hatte eine Firma ein Ladenlokal angemietet. Die im Mietvertrag einzeln aufgeführten Nebenkosten sollte der Vermieter einmal jährlich zum Ablauf des Kalenderjahres abrechnen. Nach ca. 8 Jahren wurde das Gebäude verkauft. Der neue Hausbesitzer bzw. Vermieter entdeckte Fehler in den Nebenkostenabrechnungen für die vergangenen Jahre. Die sich daraus anteilig ergebenden Nachzahlungen forderte er nun von dem Mieter, was dieser jedoch mit der Begründung ablehnte, dass Nachzahlungsansprüche nach dem Ablauf der einjährigen Abrechnungsfrist verwirkt sind.
Die Richter des BGH entschieden dazu Folgendes: „Der Vermieter von Geschäftsräumen ist zur Abrechnung über die Nebenkosten, auf die der Mieter Vorauszahlungen geleistet hat, innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet. Diese Frist endet regelmäßig zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums.
Die Abrechnungsfrist ist keine Ausschlussfrist. Der Passus im Bürgerlichen Gesetzbuch, der für die Wohnraummiete den Ausschluss von Betriebskostennachforderungen anordnet, die der Vermieter später als zwölf Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraums verlangt, ist auf die Geschäftsraummiete nicht analog anwendbar.
Für die Annahme einer konkludenten Änderung des Umfangs der vereinbarten Nebenkosten reicht es nicht aus, dass der Vermieter einzelne vereinbarte Nebenkostenpositionen über längere Zeit nicht abgerechnet hat. Vielmehr bedarf es hierfür weiterer Anhaltspunkte.“
Nach dem Handelsgesetzbuch ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich den Anspruch auf Karenzentschädigung bei einem teilweise verbindlichen und teilweise unverbindlichen Wettbewerbsverbot.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.4.2010 entschieden, dass der Anspruch nicht voraussetzt, dass der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot insgesamt beachtet. Es genügt die Einhaltung des verbindlichen Teils.
In einem Fall aus der Praxis stellte ein Unternehmen Fenster und Türen her und vertrieb diese Produkte ausschließlich an den Fachhandel. Der betroffene Arbeitnehmer war in dem Unternehmen zuletzt als Marketingleiter tätig. Nach dem vereinbarten Wettbewerbsverbot war er verpflichtet, während der Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht für eine Firma tätig zu sein, welche mit dem Unternehmen in Konkurrenz steht. Als Konkurrenzunternehmen galt danach auch ein Betrieb, welcher mit dem Vertrieb von Fenstern und Türen befasst ist. Der Marketingleiter arbeitete nach seinem Ausscheiden als selbstständiger Handelsvertreter für einen Fachhändler und vertrieb Fenster und Türen an den Endverbraucher. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts hatten zu entscheiden, ob dem Arbeitnehmer die vereinbarte Karenzentschädigung zusteht.
Sie kamen zu dem Entschluss, dass das Verbot, Fenster und Türen direkt an den Endverbraucher zu vertreiben, nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers diente. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot war daher insoweit unverbindlich. Da der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot in seinem verbindlichen Teil beachtet hat, besteht der Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung.
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedarf.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist dabei nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt, sondern umfasst den gesamten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der bei Beendigung noch nicht erfüllt ist. Dies gilt nicht nur für den den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigenden tariflichen Urlaubsanspruch. Sind für den über den Mindesturlaub hinausgehenden einzelvertraglichen Urlaubsanspruch keine besonderen Vereinbarungen getroffen, besteht ein Abgeltungsanspruch für den Gesamturlaub. Bei einem vertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch von z. B. 26 Werktagen und 12 gewährten Urlaubstagen sind mithin noch 14 Werktage Urlaub abzugelten.
In der betrieblichen Praxis hatte ein angestellter Kraftfahrer sein Arbeitsverhältnis zum 15.7. wirksam gekündigt. Der Arbeitsvertrag enthielt keine besondere Vereinbarung bezüglich der Urlaubsabgeltung. Aufgrund dieser Tatsache hatte der Arbeitnehmer einen Abgeltungsanspruch für den verbliebenen Gesamtjahresurlaub (einschließlich der Urlaubstage für das 2. Halbjahr).
Anmerkung: In keinem Gesetz ist bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs geregelt. Daher ist es sicherlich ratsam, im Arbeitsvertrag eine solche quotale Reduzierung des Abgeltungsanspruchs zu vereinbaren. Möchte der Arbeitgeber, dass der Urlaub durch eine Befreiung von der Arbeitspflicht erfüllt werden soll, muss er dieses hinreichend deutlich erkennen lassen.
Grundsätzlich gilt für eine verhaltensbedingte Kündigung das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine vergangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken.
Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen werde.
Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind im Rahmen von Leistungsstörungen bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich Abmahnungen erforderlich. Das gilt jedoch nicht, wenn sich die Pflichtverletzung im Vertrauensbereich auswirkt. Auch bei künftiger Vertragstreue kann die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht mehr ungeschehen gemacht werden.
Macht ein Arbeitnehmer an 7 Tagen in Folge fehlerhafte Angaben zum Beginn und/oder Ende seiner täglichen Arbeitszeit, lässt dies den Rückschluss auf vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug ohne Weiteres zu. Eine Kündigung ist in einem solchen Fall ohne vorheriger Abmahnung zulässig.
Grundsätzlich hat jeder das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit. Doch auch in Deutschland kommt es immer wieder zu unangemessen langen Gerichtsverfahren. Überlange Prozesse können Privatpersonen und Unternehmen sowohl finanziell und persönlich stark belasten. Lücken im Rechtsschutz sollen nun, laut Bundesjustizministerium, mit einem Entschädigungsanspruch für überlange Prozesse geschlossen werden.
In vielen europäischen Ländern gibt es bereits besonderen Rechtsschutz bei unangemessen langen Verfahren. Bei überlangen Gerichtsverfahren gibt es bislang im deutschen Recht keine spezielle Rechtsschutzmöglichkeit. Die Betroffenen können nur versuchen, sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter oder äußerstenfalls mit einer Verfassungsbeschwerde zu wehren. Für den Ausgleich von Nachteilen gibt es nur den allgemeinen Amtshaftungsanspruch, der oft nicht weiterhilft. Er gilt nur für schuldhafte Verzögerungen, um die es in vielen Fällen nicht geht. Außerdem deckt die Amtshaftung keine immateriellen Nachteile ab, wie etwa seelische oder gesundheitliche Belastungen durch überlange Gerichtsverfahren.
Die geplante Neuregelung soll den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit, wie er sowohl vom Grundgesetz als auch von der europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird, sichern. Bevor die Entschädigung geltend gemacht wird, muss der Betroffene die Verzögerung zunächst gegenüber dem Gericht rügen. Diese „Vorwarnung“ bietet den zuständigen Richtern Gelegenheit, bei berechtigter Kritik Abhilfe zu schaffen und schnell Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu treffen (bspw. einen Termin für die mündliche Verhandlung anzusetzen oder ein noch ausstehendes Gutachten einzuholen). In aller Regel wird dies geschehen. Wenn nicht, kann der Betroffene im zweiten Schritt nach drei Monaten Entschädigungsklage gegen den Staat erheben, auch wenn das verzögerte Ausgangsverfahren noch andauert. Zuständig für solche Entschädigungsklagen sollen einheitlich die Oberlandesgerichte sein.
Der Ersatz umfasst die durch die Verzögerung entstandenen materiellen Schäden. Auch für immaterielle Nachteile soll Ersatz geleistet werden, soweit nicht – je nach Einzelfall – eine Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist.
Die Länder und Verbände haben jetzt Gelegenheit, zu dem Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen.