Juni 2004
Das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2004 enthält u. a. auch völlig unerwartete Kürzungen der erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 %. So werden der Betriebsvermögensfreibetrag auf 225.000 Euro (bis 2003 = 256.000 Euro), der Bewertungsabschlag für Betriebsvermögen auf 35 % (bis 2003 = 40 %) und die Tarifentlastung bei der Übertragung von Betriebsvermögen an Erwerber der Steuerklasse II oder III auf 88 % (bisher 100 %) gekürzt. Die Kürzungen können zu einer erheblichen Mehrbelastung führen, insbesondere wenn dadurch eine Wertstufe des Steuertarifs überschritten wird. Die neuen Bestimmungen gelten für alle Erwerbe nach dem 31.12.2003. Eine Übergangsregelung ist gesetzlich nicht vorgesehen.
An der Verfassungsmäßigkeit des Zustandekommens des HBeglG bestehen – wie aus der Fachliteratur zu entnehmen ist – erhebliche Zweifel. Das Bundesfinanzministerium gab jedoch mit Schreiben v. 12.3.2004 seine gegenteilige Auffassung bekannt. Diesbezügliche Einsprüche werden daher zurückgewiesen, Anträge auf Aussetzung der Vollziehung werden wohl keinen Erfolg haben. Steuerpflichtigen und ihren Beratern bleibt lediglich der Klageweg.
Wie bei so vielen anderen Gesetzesänderungen zum Jahreswechsel stellt sich auch diesmal zusätzlich die Frage, ob nicht ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorliegt, da die neuen Regelungen erstmals am 16.12.2003 (Tag der Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses) nachzulesen waren. Zu diesem Zeitpunkt konnten diejenigen, die schon Übertragungsvereinbarungen abgeschlossen hatten, die als Übergabezeitpunkt den 1.1.2004 oder einen späteren Zeitpunkt vorsahen, nichts mehr unternehmen, um die Anwendung des neuen Rechts auszuschließen.
Durch die Änderungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 ist die Gewährung eines Haushaltsfreibetrages nicht mehr möglich. Allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 Euro im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn sie mit mindestens einem Kind eine Haushaltsgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung bilden, das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und der Steuerpflichtige und sein Kind in der gemeinsamen Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldet sind.
Als allein stehend gelten Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung erfüllen und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag oder Kindergeld zu. Eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen Person ist in der Regel dann anzunehmen, wenn diese mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist. Demnach können Haushaltsgemeinschaften mit einem nicht ehelichen Partner für den Entlastungsbetrag schädlich sein. Aber auch wenn Kinder über 18, für die es keinen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld (mehr) gibt, im Haushalt wohnen, fällt der Entlastungsbetrag weg.
Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel. Anmerkung: Bei Lohnsteuerkarten, die noch im Jahre 2003 ausgestellt wurden, ist für Steuerpflichtige, die den damaligen Haushaltsfreibetrag in Anspruch nehmen konnten, die Steuerklasse II nach damals geltendem Recht eingetragen, das im Jahr 2004 in vielen Fällen nicht mehr zutrifft. Sie müssen die Lohnsteuerkarte berichtigen lassen. Für die Lohnsteuerkarte 2005 sind Steuerpflichtige verpflichtet, bis zum 20.9.2004 schriftlich gegenüber der Gemeinde zu versichern, dass die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende vorliegen.
Rechnungsausstellung Seit dem 1.1.2004 (mit einer Übergangsregelung bis zum 30.6.2004) müssen Rechnungen, damit sie zum Vorsteuerabzug berechtigen, zwingend die im Gesetz vorgegebenen Angaben enthalten. So muss ab dem 1.1.2004 in der Rechnung neben weiteren Angaben die vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die vom Bundesamt für Finanzen erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten sein. Die übrigen Verschärfungen – wie z. B. die fortlaufende Rechnungsnummer – gelten durch die Übergangsregelung erst ab 1.7.2004.
Umsatzsteuer
Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ist seit dem 1.4.2004 auf alle steuerpflichtigen Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, sowie für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, erweitert worden. Von dieser Regelung sind Planungs- und Überwachungsleistungen nicht betroffen.
Nachdem das Bundesfinanzministerium bis zum 30.6.2004 eine Übergangsregelung zur Vermeidung von Härten geschaffen hat, sind Bauunternehmer, die Leistungen durch andere Bauunternehmer in Anspruch nehmen, nunmehr ab dem 1.7.2004 verpflichtet, die Umsatzsteuer nicht an den leistenden Unternehmer zu zahlen, sondern in der eigenen Umsatzsteueranmeldung zu erklären. Sie haben – unter weiteren Voraussetzungen – ein korrespondierendes Vorsteuerabzugsrecht.
Ab dem 1.7.2004 gelten – sowohl für die „Rechnungsausstellung“ wie auch für die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ – nur noch die neuen Regelungen.
Wird ein vor dem Privathaus abgestellter betrieblicher Pkw gestohlen, stellt die Schadensersatzleistung der Versicherung nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs eine (ertragsteuerpflichtige) Betriebseinnahme dar. Die Versicherungsleistung kann nicht gewinnneutral verbucht werden, weil am darauf folgenden Tag eine Privatfahrt geplant ist. Die Abstellzeiten sind weder der betrieblichen noch der privaten Nutzung zuzuordnen. Die Frage, ob die Versicherungsleistung zumindest anteilig – in Höhe der privaten Nutzung – als Privateinnahme zu erfassen wäre, blieb im Verfahren offen.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass können seit dem 1.1.2004 nur noch zu 70 % (bis 31.12.2003 = 80 %) als Betriebsausgaben angesetzt werden. Daran sind allerdings einige Auflagen geknüpft. So sind beispielsweise zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung folgende Angaben unentbehrlich:
Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie die Höhe der Aufwendungen. Die Angaben über den Anlass der Bewirtung müssen den Zusammenhang mit einem geschäftlichen Vorgang oder einer Geschäftsbeziehung erkennen lassen. So genügen allgemein gehaltene Angaben wie „Kontaktpflege“, „Kundenpflege“, „Geschäftsfreundebewirtung“ oder „Kundenbewirtung“ diesen Anforderungen nicht.
Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung- die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen. Übersteigt die Rechnung einen Betrag von 100 Euro, so muss sie auf den Namen des bewirtenden Unternehmens lauten. Ferner muss die Rechnung maschinell erstellt und registriert sein, um zum Betriebsausgabenabzug zugelassen zu werden.
Die in Anspruch genommenen Leistungen sind nach Art, Umfang, Entgelt und Tag der Bewirtung in der Rechnung gesondert zu bezeichnen. Die Angaben „Speisen und Getränke“ und die Gesamtsumme reichen nicht aus!
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26.2.2004 (IV R 50/01) entschieden, dass Rechtsanwälte die erforderlichen Angaben zu Teilnehmern und Anlass einer Bewirtung in der Regel nicht unter Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht verweigern können.
Das Gesetz verlangt konkrete Angaben zu Anlass und Teilnehmern der Bewirtung, damit überprüft werden kann, ob die Bewirtung wirklich betrieblich veranlasst gewesen ist. Zwar unterliegt der Rechtsanwalt einer Schweigepflicht, deren Verletzung auch strafbar ist. In das so geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten wird jedoch nicht unverhältnismäßig eingegriffen, wenn aus Gründen der Gleichbehandlung auch vom Rechtsanwalt Angaben zu Person und Anlass der Bewirtung verlangt wird.
Der Rechtsanwalt braucht aber nur die zur Prüfung der betrieblichen Veranlassung unbedingt erforderlichen Einzelheiten gegenüber dem Finanzamt offen zu legen. Findet das Geschäftsessen z. B. im Zusammenhang mit der Beratung des Mandanten wegen einer angeblichen Steuerhinterziehung statt, ist ein Hinweis auf den Hinterziehungsvorwurf entbehrlich.
Erhält der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH keinen steuerfreien Arbeitgeberzuschuss zur Sozialversicherung und auch keine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung (Pensionszusage), seine Ehefrau hingegen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn, dann ist im Fall einer Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer bei der Kürzung des gemeinsamen Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 3.12.2003 (XI R 11/03) lediglich der Arbeitslohn der Ehefrau zu berücksichtigen.
Der Arbeitslohn des Geschäftsführers ist bei der Kürzung nicht einzubeziehen, da er die Kosten für die Zukunftssicherung im Gegensatz zu seiner Ehefrau alleine tragen muss. Damit wird ein Bezieher nicht sozialversicherungspflichtiger Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit gleich gestellt mit Steuerpflichtigen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Diese seit Jahren umstrittene Problematik ist nun geklärt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 13.11.2003 (V R 59/02) entschieden, dass ein Unternehmer, der sich für eine gewisse Zeit zum Unterlassen eines Wettbewerbs gegen eine Vergütung verpflichtet, die nicht als geringfügig angesehen werden kann, eine sonstige Leistung im Rahmen seines Unternehmens erbringt. Die Vergütung für die gesamte Unterlassungsleistung unterliegt im Jahr der Vereinnahmung der Umsatzsteuer.
Im Streitfall verpflichtete sich der Unternehmer für eine Dauer von fünf Jahren gegen eine Vergütung auf einen Wettbewerbverzicht. Der entgeltliche Verzicht auf eine unternehmerische Betätigung ist nach Auffassung der BFH-Richter eine unternehmerische Tätigkeit. Die Argumente des Klägers, es handele sich nicht um eine nachhaltige Tätigkeit, sondern um einen einmaligen Verzicht, da er nicht beabsichtige, sich in weiteren Fällen gegen Vergütung einem Wettbewerbsverbot zu unterwerfen, wobei der Wettbewerbsverzicht auch in keinem engen Zusammenhang mit seiner sonstigen unternehmerischen Betätigung stehe, ließen die Richter nicht gelten.
In zunehmender Zahl bieten Krankengymnasten in ihren Praxen Fitnessgeräte zur Nutzung im Rahmen des sog. medizinischen Gerätetrainings (MGT) an. Beim MGT handelt es sich regelmäßig um eine reine Präventivmaßnahme im Anschluss an eine ärztlich verordnete Maßnahme. Eine ärztliche Verordnung liegt beim MGT regelmäßig nicht vor. Krankengymnasten treten insoweit in Wettbewerb zu den Betreibern von gewerblichen Fitnessstudios.
Soweit Krankengymnasten MGT anbieten, handelt es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht mehr um eine heilberufliche Tätigkeit. Aus dem MGT erzielen die Krankengymnasten vielmehr gewerbliche Einkünfte. Dies soll auch dann gelten, wenn – ausnahmsweise – für ein MGT eine ärztliche Verordnung vorliegen sollte.
Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers einer GmbH ergibt sich allein aus seiner Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob er seine Aufgaben als Geschäftsführer auch tatsächlich wahrnimmt. Daher bleiben Hinderungsgründe im persönlichen Bereich des Geschäftsführers, die einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten entgegenstehen, unbeachtlich bei der Beurteilung einer möglichen Haftungsschuld.
Dies gilt gleichermaßen für die fachliche Inkompetenz, wie auch für eine Verhinderung wegen Krankheit. Auch wenn zwei Geschäftsführer bestellt worden sind, kann ein langfristig kranker Geschäftsführer als Haftender in Anspruch genommen werden.
Ist ein Geschäftsführer langfristig verhindert, seinen Geschäftsführeraufgaben gewissenhaft nachzukommen, hat er zwei Alternativen, das Risiko zu minimieren, wegen grober Fahrlässigkeit in Haftung genommen zu werden. Er kann sein Amt niederlegen oder seine Geschäftsführeraufgaben auf einen Dritten übertragen. Er muss jedoch diese Person sorgfältig auswählen und ihre Persönlichkeit und ihr Geschäftsgebaren auf Grund von Tatsachen zuverlässig einschätzen und laufend überwachen -, was bei einem schwer erkrankten Menschen nicht leicht sein dürfte.
Bereits im Jahre 2000 beurteilten die Richter des Bundesgerichtshofs unerbetene Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen als grundsätzlich unzulässig. Auch im geschäftlichen Verkehr hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2001 Telefonwerbung als unzulässig angesehen, solange der Anzurufende weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat und ein solches vom Anrufer aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände auch nicht vermutet werden kann. Entsprechende Grundsätze gelten auch für Werbung durch Telefaxschreiben.
Die Gründe für das Verbot unerbetener Telefon- und Telefaxwerbung sind nicht ohne weiteres auf die E-Mail-Werbung übertragbar. Denn anders als der Telefonteilnehmer kann der E-Mail-Empfänger selbst bestimmen, wann er an ihn gesandte E-Mails abrufen will, sodass die unverlangte Zusendung von E-Mails nicht mit der Beeinträchtigung der Privatsphäre vergleichbar ist, wie sie bei der unerbetenen Telefonwerbung eintritt. Ferner sind Kosten, die mit dem Abruf einer einzelnen E-Mail verbunden sind, gering.
Gleichwohl entsteht durch die Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken eine Belästigung für den Empfänger, die dieser nicht hinzunehmen braucht, wenn er nicht ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt oder wenn – bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden – nicht aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.
Dementsprechend entschieden die Richter des Bundesgerichtshofs:
„Die Zusendung einer unverlangten E-Mail zu Werbezwecken verstößt grundsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Eine solche Werbung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Empfänger ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat, E-Mail-Werbung zu erhalten, oder wenn bei der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.
Ein die Wettbewerbswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Empfängers der E-Mail hat der Werbende darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
Der Werbende hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu einer fehlerhaften Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken aufgrund des Schreibversehens eines Dritten kommt.“ (BGH-Urt. v. 11.3.2004 – I ZR 81/01)
Der Bundestag hat am 1.4.2004 die Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb beschlossen, in dem auch die E-Mail-Werbung gesetzlich geregelt werden soll.
Kommt es bei Arbeiten an einer Computeranlage zu Datenverlusten, stellt sich die Frage, ob hier die beauftragte Firma haftbar gemacht werden kann.
Die Richter des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass es zumindest im gewerblichen Anwendungsbereich heute zu den vorauszusetzenden Selbstverständlichkeiten gehört, dass eine zuverlässige, zeitnahe und umfassende Datenroutine die Sicherung gewährleistet. Vor einem objektiv datengefährdenden Eingriff muss sich der Werkunternehmer erkundigen und gegebenenfalls darüber vergewissern, ob die vom Anwender vorgenommene Datensicherung dem aktuellen Stand entspricht. Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen, welches seine Datensicherung völlig unzulänglich – vom Computerfachmann jedoch nicht erkennbar – durchführt, im Falle eines Datenverlustes, den daraus resultierenden Schaden selbst tragen muss. (OLG Hamm, Urt. v. 1.12.2003 – 13 U 133/03)
In vielen Unternehmen teilen sich zwei oder mehr Geschäftsführer die Aufgaben, sodass beispielsweise ein Geschäftsführer für den kaufmännischen Teil und ein anderer Geschäftsführer für den technischen Part im Betrieb zuständig ist. Dabei ist zu beachten, dass sich auch ein nur für den technischen Bereich zuständiger Geschäftsführer kraft seiner Allzuständigkeit über die wirtschaftliche Lage der GmbH regelmäßig informieren muss.
Ferner hat der technische Geschäftsführer kraft seiner Überwachungspflichten Sorge dafür zu tragen, dass aus eingehenden liquiden Mitteln vorrangig Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abgeführt werden, wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der kaufmännische Geschäftsführer fällige Beiträge nicht an die Einzugsstelle abführt.
Spätestens dann ist ein in diesem Sinne hinreichender Anlass zum Tätigwerden gegeben, wenn auch dem technischen Geschäftsführer bekannt ist, dass die liquiden Mittel nicht mehr reichen, sämtliche fälligen Verbindlichkeiten sofort zu erfüllen.
Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält, ist der Einzugsstelle zum Schadensersatz verpflichtet. Ist Arbeitgeberin eine GmbH, so ist jeder Geschäftsführer straf- und handlungsrechtlich verantwortlich.
Der technische Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der kaufmännische Geschäftsführer alle Beiträge korrekt abgeführt habe. Denn er hätte das Handeln des kaufmännischen Geschäftsführers überwachen müssen, sobald er wusste, dass die vorhandenen Mittel nicht mehr ausreichten, um sämtliche fälligen Verbindlichkeiten der GmbH zu erfüllen. (OLG Frankfurt, Urt. v. 23.1.2004 – 24 U 135/03)
Viele Urlaubsreisende schließen bei der Buchung entsprechende Versicherungen ab, die dann eintreten, wenn beispielsweise die Reise nicht angetreten werden kann (Reiserücktrittskostenversicherung) oder der Urlauber aus gesundheitlichen Gründen die Heimreise antreten muss (Reiseabbruchversicherung). In einem Fall aus der Praxis gewährte eine Versicherung nach ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz für den Fall des Reiseabbruchs aus bestimmten Gründen (z. B. wegen unerwarteter schwerer Erkrankung eines Reiseteilnehmers) mit folgenden Leistungen: Erstattung der zusätzlichen Rückreisekosten und des Wertes der nicht genutzten Reiseleistung (sowie für die erkrankte Person wahlweise ein Reisegutschein über den vollen Preis der abgebrochenen Reise).
Die Richter des Bundesgerichtshofs hatten hier zu entscheiden, ob bei einer Pauschalreise bei Eintritt des Versicherungsfalles der anteilige Pauschalpreis zugrunde zu legen ist oder ob u. U. Teile wie z. B. der Rückflug herausgerechnet werden dürfen.
Sie kamen zu dem Entschluss, dass es für den Versicherungsnehmer, der eine Reiseabbruchversicherung für eine Pauschalreise abgeschlossen hat, nahe liegend ist, dass für den Wert der nicht genutzten Reiseleistung auch der Pauschalpreis maßgeblich ist. Eine Pauschalreise mag sich zwar aus Teilleistungen zusammensetzen, ihr besonderes Merkmal ist aber, dass diese vom Veranstalter zu einer einzigen Reiseleistung zusammengefasst werden.
Weiterhin führten die Richter aus, dass eine Reiseabbruchversicherung den Reisenden gegen den Schaden in Gestalt nutzloser Aufwendungen absichern soll, der ihm entsteht, wenn er die Reise abbrechen muss. Bei einer Flugpauschalreise ist der Flug untrennbarer Bestandteil der Reise und damit auch des Reisepreises. Muss diese Reise abgebrochen werden, stellen die in den Pauschalpreis eingerechneten Flugkosten ganz oder teilweise nutzlose Aufwendungen dar. (BGH-Urt. v. 28.1.2004 – IV ZR 65/03)
Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften soll den Verbraucher vor der Gefahr schützen, in bestimmten, dafür typischen Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluss von Geschäften unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftsabschlüssen gedrängt zu werden.
Soweit es um rechtsgeschäftliche Erklärungen anlässlich der Durchführung von Freizeitveranstaltungen geht, ist es Sinn und Zweck dieses Widerrufsrechts, eine Bindung des Verbrauchers an rechtsgeschäftliche Erklärungen in einer Situation zu vermeiden, in der für ihn der Geschäftszweck hinter die vom Veranstalter herbeigeführte freizeitliche Stimmung und Erwartungshaltung zurücktritt, Preis- und Qualitätsvergleiche praktisch nicht möglich und die Gelegenheit zu ruhiger Überlegung und Umkehr, wenn überhaupt, nur eingeschränkt gegeben ist.
Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
Die Richter des Bundesgerichtshofs hatten nun zu prüfen, ob einem Käufer dieses Widerspruchsrecht auch zusteht, wenn der Kauf auf einer Verbrauchermesse getätigt wurde. Hier entschieden die Richter, dass es nur dann zum Tragen kommt, wenn die Messe als Freizeitveranstaltung bewertet werden kann. Liegen die Angebotsschwerpunkte trotz eines täglichen unterhaltsamen Beiprogramms eindeutig im gewerblichen Bereich, was vom Durchschnittsbesucher nicht übersehen werden kann, handelt es sich um eine Veranstaltung, die nicht dem freizeitlichen Bereich zugeordnet werden kann und daher nicht unter das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften fällt. (BGH-Urt. v. 28.10.2003 – X ZR 178/02)
In einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall beantragte eine Lagerarbeiterin, im Anschluss an ihren Erziehungsurlaub ihre wöchentliche Arbeitszeit auf zwanzig Stunden/Woche zu verringern und die Arbeitszeit auf 8.00 bis 12.00 Uhr festzulegen. Für den „Wareneingang wurde der Arbeitsbeginn auf 6.00 Uhr und für den „Warenausgang“ auf 8.00 Uhr festgelegt. Der Arbeitgeber ordnete die Lagerarbeiterin dem „Wareneingang“ zu und erklärte sich mit der Verringerung der Arbeitszeit einverstanden. Der gewünschte Arbeitsbeginn von 8.00 Uhr lehnte er wegen befürchteter Ablaufstörungen und unter Hinweis auf die Betriebsvereinbarung ab.
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz begründet einen Anspruch des Arbeitnehmers, seine mit Zustimmung des Arbeitgebers verringerte Arbeitszeit auf die vom Arbeitnehmer gewünschten Zeiten festzulegen, soweit dieser Verteilung der Arbeitszeit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Eine von den Betriebsparteien vereinbarte Regelung über den Beginn der täglichen Arbeitszeit kann ein betrieblicher Grund im Sinne dieses Gesetzes sein. Das ist sie jedoch nicht, wenn der vom Arbeitnehmer gewünschte andere Arbeitsbeginn keinen kollektiven Bezug hat. Dieser Bezug fehlt, wenn die Interessen der anderen Arbeitnehmer nicht durch Arbeitsverdichtung, Mehrarbeit oder andere Auswirkungen berührt werden.
In ihrer Begründung führten die Richter an, dass weder festgestellt wurde, dass durch die von der Betriebsvereinbarung abweichende Festlegung des täglichen Arbeitsbeginns der Arbeiterin Störungen des Betriebsablaufs auftraten, noch dass die kollektiven Interessen der übrigen Arbeitnehmer berührt wurden. (BAG-Urt. v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03)
Entschließt sich der Arbeitgeber zu einer betrieblichen Umorganisation, die zu einer anderen zeitlichen Lage und Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führt, so handelt es sich dabei um eine im Ermessen des Arbeitgebers stehende unternehmerische Entscheidung, die von den Arbeitsgerichten nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern lediglich – zur Vermeidung von Missbrauch – auf offenbare Unvernunft oder Willkür zu überprüfen ist.
Ist eine Reorganisation von dauerhafter Natur und nicht nur vorgeschoben, so besteht ein anerkennenswerter Anlass zum Ausspruch einer Änderungskündigung. Ein Missbrauch der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, auf die Reorganisation zu verzichten. (BAG-Urt. v. 22.4.2004 – 2 AZR 385/03)
Ab dem 1.7.2004 müssen Arbeitgeber durch In-Kraft-Treten des § 8a des Altersteilzeitgesetzes bei Altersteilzeitvereinbarungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Insolvenzsicherung vornehmen. Dies ist gerade für die Unternehmen von Bedeutung, die sog. Blockmodelle praktizieren, bei denen der Arbeitnehmer in der Altersteilzeit zunächst über drei Jahre normal weiterarbeitet und dabei ein Guthaben anspart, aus dem dann während der sich anschließenden gleich langen Freistellungsphase sein Gehalt weitergezahlt wird.
Hier sieht das Gesetz vor, dass eine geeignete Insolvenzsicherung vorzunehmen ist, wenn ein Wertguthaben aufgebaut wird, das den dreifachen Betrag des Regelarbeitsentgelts, einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtversicherungsbeitrag übersteigt. Das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist das auf einen Monat entfallende vom Arbeitgeber regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet. Entgeltbestandteile, die nicht laufend gezahlt werden, sind nicht zu berücksichtigen.
Geeignete Insolvenzsicherungen sind beispielsweise Bankbürgschaften, dingliche Sicherheiten zugunsten des Arbeitnehmers und Versicherungsmodelle. Die bislang häufig praktizierten Sicherungen, wie z. B. bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte, gelten nicht als geeignete Sicherungsmittel im Sinne des Gesetzes.