November 2003

Sie sind hier: Startseite » Informationsarchiv seit 2003 » 2003 » November 2003

Nachweis der Einkünfteerzielungsabsicht bei verbilligterÜberlassung einer Wohnung in Zukunft u. U. erforderlich

Bei der Vermietung einer Wohnung zu üblichen Konditionen können die damit zusammenhängenden Ausgaben in voller Höhe als Werbungskosten steuerlich angesetzt werden. Die Finanzverwaltung geht in diesem Fall davon aus, dass die Vermietung mit der sog. Einkünfteerzielungsabsicht erfolgt.

In der Praxis – insbesondere bei Vermietung an nahe Angehörige – kommt es vor, dass die Miete niedriger vereinbart wird als die ortsübliche Marktmiete. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Nutzungsüberlassung einer Wohnung in einen entgeltlichen und in einen steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist, wenn das Entgelt für die Überlassung der Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 % der ortsüblichen Marktmiete beträgt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5.11.2002 die Sachlage noch weiter verschärft. Demnach ist bei einer langfristigen Vermietung grundsätzlich nur dann vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen, solange der Mietzins nicht weniger als 75 % der ortsüblichen Marktmiete beträgt. Beträgt er allerdings 50 % und mehr, jedoch weniger als 75 %, ist die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose zu prüfen.

Führt diese zu positiven Ergebnissen, so sind die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar. Ist die Überschussprognose indes negativ, muss die Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt werden. Nur die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten sind abziehbar. Die Finanzverwaltung will das Urteil ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anwenden.

Anmerkung: Das Urteil des BFH bringt viele Steuerpflichtige – insbesondere solche, die Wohnungen knapp über der 50%igen Marktmiete an nahe Angehörige vermietet haben – in eine missliche Lage. Sie müssen jetzt u. U. nachweisen, dass eine Überschussprognose positiv ist, wenn sie nach wie vor die vollen Werbungskosten beanspruchen wollen. Die Finanzverwaltung geht von einem Prognosezeitraum von 100 Jahren aus. Durch die Übergangsregelung besteht nunmehr die Chance, die Mietverträge – sofern überhaupt zivilrechtlich möglich und durchsetzbar – bis zum 31.12.2003 anzupassen.

Erhöhter Schuldzinsenabzug bei gemischter Grundstücksfinanzierung

Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Herstellung eines vermieteten Gebäudeteils entstanden sind, sind in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige die Zuordnung der anteiligen Herstellungskosten sowie die getrennte Finanzierung der zwei Wirtschaftsgüter (eigengenutzter bzw. vermieteter Gebäudeteil) nachweisen kann. Die Finanzverwaltung fordert hierfür jedoch getrennte Abrechnungen. In der Praxis lässt sich dies allerdings nicht immer realisieren, wenn der Bauunternehmer nur eine einheitliche Rechnung für das Gesamtgebäude erstellt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nunmehr der Verwaltungsauffassung widersprochen und klargestellt, dass es ausreicht, wenn der Steuerpflichtige die für die Zuordnung erforderliche Aufteilung im Verhältnis der selbst genutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen, selbst vornimmt. Unerlässlich sind allerdings getrennte Darlehensverträge und die eindeutige Dokumentation, für welchen Teil der Herstellungskosten die Darlehensmittel eingesetzt werden.

Anmerkung: Grundsätzlich sollte vor jedem Bau, Kauf oder jeder (größeren) Renovierung von Immobilien das Gespräch mit dem Steuerberater gesucht werden, um von vornherein eine optimale steuerliche Gestaltung zu wählen und Risiken zu vermeiden.

Abfindung für Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers einerGmbH auf Pensionszusage als Entschädigung steuerbegünstigt

Pensionsverpflichtungen einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer können in der Praxis den Verkauf der GmbH erheblich erschweren, weil die zukünftigen Erwerber häufig nicht bereit sind, die Pensionsverpflichtung zu übernehmen.

In einem vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fall verzichtete der GmbH-Geschäftsführer auf seine Pensionszusage zugunsten einer Entschädigung, um seine Anteile verkaufen zu können. Die Steuerbegünstigung einer Entschädigung setzt jedoch voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand- der Steuerpflichtige darf das schadensstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.

Der BFH hat nunmehr mit Urteil vom 10.4.2003 zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer, der Verkaufsverhandlungen aufnimmt, nicht damit rechnen muss, dass der Verkauf nur bei gleichzeitigem Verzicht auf seine Pensionsansprüche gegen eine Abfindung durchgeführt werden kann. Stellt es sich jedoch im Laufe der Verhandlungen heraus, dass der Käufer nicht bereit ist, auch die Pensionszusage zu übernehmen, kann für den Verkäufer eine Zwangslage gegeben sein. Die Abfindung wäre folglich eine steuerbegünstigte Entschädigung.

Anmerkung: Um die Steuerbegünstigung nicht zu gefährden, ist darauf zu achten, dass der Verzicht auf die Rentenansprüche und der GmbH-Verkauf möglichst in einem Vertrag geregelt werden. Wird die Verzichtsvereinbarung einige Monate früher als der Kaufvertrag abgeschlossen, kann es nach dem BFH-Urteil vom 12.12.2001 problematisch werden.

Bundesfinanzhof widerspricht „25-zu-75-Regel“ für die Gewinntantieme

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren Urteilen vom 27.2.2003 zur Frage der Angemessenheit der Gesamtausstattung eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers erneut Stellung genommen.

Grundsätzlich gilt: Verspricht eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Gewinntantieme, so führt dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA), soweit die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers unter Berücksichtigung der Tantiemeleistungen unangemessen hoch ist. Ist die Gesamtausstattung eines Gesellschafter-Geschäftsführers angemessen, so muss nicht schon deshalb eine vGA vorliegen, weil die Vergütung zu mehr als 25 % aus variablen Anteilen besteht (anders lautend die frühere BFH-Rechtsprechung). Vielmehr kommt es auf die jeweiligen Umstände an, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den sprunghaften Gewinnanstieg im Zeitpunkt der Tantiemevereinbarung vorhersehen konnte.

In diesem Zusammenhang sollte auf die Erstellung einer Prognose über die zukünftigen Gewinnaussichten der Gesellschaft, die der Ermittlung dient, bei welchem Tantiemesatz sich die angestrebte angemessene Gesamtausstattung des GmbH-Geschäftsführers ergibt, sowie auf eine sog. „Deckelung“ der Höhe der Tantieme zur Vermeidung besonderer Gefahren für die Gesellschaft nach Vorgaben des BFH nicht verzichtet werden.

Bei der Schätzung der angemessenen Höhe der Bezüge ist zu berücksichtigen, dass der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbreite von Beträgen erstreckt. Unangemessen im Sinne einer verdeckten Gewinnausschüttung sind dann nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.

Ansparrücklage: Glaubhaftmachung der Investitionsabsicht beiEinnahmen-Überschuss-Rechnung

Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn nach der sog. Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), ist die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln.

Mit Urteil v. 6.3.2003 hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision eines Steuerpflichtigen zurückgewiesen, der die Berücksichtigung einer Ansparrücklage bei seinen Einkünften aus selbstständiger Arbeit beantragte. Nachdem zunächst die Steuerbegünstigungen für das eigengenutzte Haus wegen der hohen Einkünfte nicht gewährt wurden, sollten – nachträglich – mit einer Ansparrücklage für EDV-Hardware die Einkünfte unter die Einkommensgrenze gedrückt werden. Irrtümlicherweise wurde davon ausgegangen, dass die Rücklage bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gebildet werden kann. Maßgeblich ist aber vielmehr die Investitionsfrist von zwei Jahren. Nach Auffassung des BFH ist zumindest binnen dieser Frist die Investitionsabsicht hinreichend zu konkretisieren, also so genau zu bezeichnen, dass im Jahr der Investition festgestellt werden kann, ob sie tatsächlich der „voraussichtlichen“ Investition entspricht.

Obwohl Steuerpflichtige bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht verpflichtet sind, Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen, müssen sie sowohl die einzelnen Geschäftsvorfälle festhalten als auch die betriebliche Veranlassung für geltend gemachte Betriebsausgaben belegen oder ggf. in anderer Form nachweisen. Deshalb ist auch bei der Ansparabschreibung eine Willensbekundung notwendig, eine solche Rücklage für ein konkretes Wirtschaftsgut zu bilden. Die investitionsbezogenen Angaben müssen buchmäßig verfolgt werden können.

Versorgungsleistungen bei Vermögensübergabe nur bei ausreichenden Nettoerträgen als Sonderausgaben abziehbar

Mit zwei jetzt veröffentlichten Beschlüssen vom 12.5.2003 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zwei grundsätzliche Entscheidungen zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen getroffen.

In dem Beschluss mit dem Aktenzeichen GrS 1/00 hat er entschieden, dass wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbart werden, dann nicht als dauernde Last steuerlich abziehbar sind, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens bestritten werden können. Es genügt nicht, wenn das übergebene Vermögen lediglich seiner Art nach existenzsichernd und ertragbringend ist, die Nettoerträge im konkreten Fall jedoch die versprochenen Sach- oder Geldleistungen nicht abdecken.

Vielmehr stellt der Barwert der wiederkehrenden Leistungen in einem solchen Fall Entgelt für das übertragene Vermögen dar. Für die Ertragsprognose ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Erfüllen sich die Ertragserwartungen nicht, sind hieraus keine Konsequenzen zu ziehen. Bei der Übergabe von Unternehmen ist zu vermuten, dass die Vertragschließenden von ausreichenden Erträgen ausgegangen sind. Auch ein Nutzungsvorteil (ersparte Aufwendungen) kann als „Ertrag“ angesehen werden. Die Übergabe ertraglosen Vermögens (z. B. Kunstgegenstände) kann begünstigt sein, wenn bei Übergabe die Umschichtung in eine ertragbringende Anlage vereinbart wurde.

Der Beschluss mit dem Aktenzeichen GrS 2/00 befasst sich mit der Frage, in welchen Fällen trotz ausreichender Nettoerträge die versprochenen Sach- oder Geldleistungen nicht als Sonderausgaben, sondern als steuerlich unbeachtliche Unterhaltsleistungen anzusehen sind. Der Große Senat hält einen solchen Fall für gegeben, wenn ein Unternehmen übergeben wird, das weder über einen positiven Substanz- noch über einen positiven Ertragswert verfügt. Ein solches Unternehmen stellt kein „Vermögen“ dar, das an die nachfolgende Generation übertragen werden könnte. Auch wenn die Nettoerträge in einem derartigen Betrieb ausreichen, um die dem Übergeber versprochenen Leistungen abzudecken, kann der Ertragswert negativ sein, weil die der Wertermittlung zugrunde gelegten Gewinne um einen Unternehmerlohn zu kürzen sind.

Bundeskabinett beschließt Sachbezugswerte für 2004

Die Sachbezugsverordnung bestimmt für die Zwecke der Sozialversicherung und der Besteuerung den Wert der Sachbezüge für Unterkunft und Verpflegung, die Arbeitnehmer als Teil ihres Arbeitsentgeltes erhalten.

2004

2003

   

Wert für Verpflegung (monatl.)

West/Ost

West/Ost

   

Frühstück

43,25 42,80    

Mittagessen

77,25 76,50    

Abendessen

77,25 76,50    

West

Ost

West

Ost

 

Wert für Unterkunft (monatl.)

191,70 174,00 189,80 170,00

Sachbezüge für Unterkunft und Verpflegung insgesamt

389,45 371,75 385,60 365,80
Eckpunkte der Arbeitsmarktreform

Das Gesetz zur Reform am Arbeitsmarkt wurden am 26.9.2003 vom Bundestag beschlossen und soll im Wesentlichen zum 1.1.2004 in Kraft treten. Die geplanten Änderungen werden nachfolgend kurz aufgezeigt. Weitergehende Verbesserungen zugunsten von Unternehmen, über die nach endgültiger Verabschiedung des Gesetzes informiert wird, sind nicht ausgeschlossen.

  • Kündigungsschutz/Abfindung/Kündigungsschutzklage: Die Reform sieht vor, dass sog. Kleinbetriebe mit bis zu 5 Beschäftigten zusätzlich bis zu 5 Arbeitnehmer befristet einstellen können, ohne dass das Unternehmen unter die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Teilzeitkräfte werden bei dieser neuen Regelung anteilig berücksichtigt. So können demnach sog. Kleinbetriebe fünf weitere Vollzeit- oder zehn Teilzeitkräfte befristet anstellen, ohne in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes zu fallen. Ferner soll der gekündigte Arbeitnehmer künftig die Wahl haben, ob er eine Kündigungsschutzklage erheben will oder auf diesen Schritt gegen Zahlung einer gesetzlichen Abfindung von einem halben Monatsverdienst je Beschäftigungsjahr verzichtet. Dieser Anspruch hängt jedoch von einem ausdrücklichen Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben ab. Nach Zugang der schriftlichen Kündigung gilt künftig für alle Kündigungsschutzklagen eine einheitliche dreiwöchige Klagefrist.

  • Bereitschaftsdienste: IDie Richter des Europäischen Gerichtshofs haben in einem Urteil (EuGH-Urt. 9.9.2003 – C-151/02) entschieden, dass der Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern insgesamt als Arbeitszeit anzusehen ist. Im Rahmen der Arbeitsmarktreform wird dies nun auch in das Arbeitszeitgesetz aufgenommen. So dürfen Beschäftigte nach In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung unter Anrechnung von Bereitschaftsdiensten im Jahresdurchschnitt maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten.

  • Sozialauswahl: Die Änderungen durch die Arbeitsmarktreform sehen für die bei notwendigen Kündigungen erforderliche Sozialauswahl vor, dass diese auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers sowie Schwerbehinderung beschränkt wird, ohne betriebliche „Leistungsträger“ mit einbeziehen zu müssen.

  • Befristete Beschäftigung: In den ersten vier Jahren nach einer Unternehmensgründung können befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Befristungsgrund bis zu einer Dauer von vier Jahren abgeschlossen werden. Damit soll Existenzgründern die Entscheidung für Einstellungen erleichtert werden.

  • Arbeitslosengeld: Die Arbeitsmarktreform sieht für unter 55-Jährige vor, dass die Bezugsdauer auf 12 Monate und für ältere Arbeitslose auf maximal 18 Monate abgesenkt wird. Nach geltendem Recht erhalten sie für maximal 32 Monate Arbeitslosengeld. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sollen diese Änderungen für über 55-jährige Arbeitnehmer erst nach einer Übergangsfrist zum 1.1.2006 in Kraft treten.

Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen

In vielen Arbeitsverträgen vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber neben dem Tarifgehalt noch eine übertarifliche Zulage. Hier stellt sich im Falle einer regulären Tariferhöhung die Frage, ob diese Erhöhung auf die Zulage angerechnet werden darf. Grundsätzlich ist anzumerken, dass eine Anrechnung aus Anlass einer Tariferhöhung zulässig ist. So kann selbst eine in der Vergangenheit entgegensetzt ausgeübte Praxis aufgegeben werden.

Etwas anderes gilt, wenn der individuelle Arbeitsvertrag ein Anrechnungsverbot, wie z. B. „tariffest“ oder „nicht anrechenbar“, enthält. Eine Verringerung der Zulage durch Anrechnung der Tariflohnerhöhung kann hier nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen. Für die Anrechnung auf zweckbestimmte Zulagen (z. B. Leistungs- oder Erschwerniszulage) gilt das Gleiche. In Unternehmen mit einem Betriebsrat hat dieser bei der Anrechnung über- bzw. außertariflicher Zulagen grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts hatten zu entscheiden, wie es sich verhält, wenn im Arbeitsvertrag vereinbart ist, dass die übertariflichen Zulagen „jederzeit ohne Einhaltung einer Frist widerrufbar und anrechenbar auf kommende Lohnerhöhungen“ sind. Sie kamen zu dem Entschluss, dass eine rückwirkende Anrechnung unwirksam und nur auf „kommende“ Tariflohnerhöhungen anrechenbar ist. Für den Arbeitgeber kann es bei streitigen Vertragsklauseln daher ratsam sein, eine Anrechnung soweit wie möglich im Voraus anzukündigen und von Beginn an durchzusetzen. Ansonsten läuft er Gefahr, dass nicht nur die Anrechnung für zurückliegende Monate, sondern die gesamte Anrechnung auch für die Zukunft unzulässig ist. (BAG-Urt. v. 17.9.2003 – 4 AZR 533/02)

Betriebsübergang

Ein Betriebsübergang setzt voraus, dass ein Betrieb oder ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Folglich tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

  • Haftung: Der bisherige Arbeitgeber haftet – neben dem neuen Inhaber – für Verpflichtungen aus dem Betriebsübergang, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenem Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht. Diese Haftung gilt jedoch nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

  • Informationspflicht: Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

  1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

  2. den Grund für den Übergang,

  3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

  4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

  • Widerspruch des Arbeitnehmers: Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann entweder gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

  • Kündigung: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

  • Zuordnung der betroffenen Arbeitsverhältnisse: Wird nicht der ganze Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil oder eigenständiger Bereich übernommen, kommt es nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts entscheidend darauf an, dass der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil oder Bereich angehört, damit sein Arbeitsverhältnis entsprechend der oben aufgeführten Bedingungen auf den Erwerber übergeht. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer einem stillgelegten Betriebsteil zuzuordnen ist und der Restbetrieb zum gleichen oder einem späteren Zeitpunkt auf einen Dritten übertragen wird. (BAG-Urt. v. 25.9.2003 – 8 AZR 446/02)

  • Übernahme der Betriebsorganisation: In einem weiteren Urteil entschieden die Bundesrichter, dass ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang voraussetzt, dass der Erwerber die vorhandene betriebliche Organisation übernimmt und im Wesentlichen unverändert weiterführt. Die danach erforderliche Identität der wirtschaftlichen Einheit ist nicht gegeben, wenn der Erwerber die übernommene Einrichtung in die eigene Organisationsstruktur eingliedert. (BAG-Urt. v. 25.9.2003 – 8 AZR 421/02)

Prospekthaftung

Mit Prospekten über Kapitalanlagemöglichkeiten sollen dem Anleger wesentliche Informationen für seine Anlageentscheidung vermittelt werden. Daher muss der Prospekt den potenziellen Anleger oder Erwerber über alle Umstände des angebotenen Anlagemodells richtig und vollständig informieren, die für seine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können. Im Falle von fahrlässiger, fehlerhafter oder arglistiger Täuschung im Prospekt tritt i. d. R. ein Prospekthaftungsfall ein.

Die Richter des Bundesgerichtshofs haben zur Aufklärungspflicht in ihrem Urteil vom 7.7.2003 (II ZR 18/01) entschieden, dass die Verpflichtung eines Treuhandgesellschafters zur Aufklärung künftiger Anleger eines Fonds über alle wesentlichen Umstände der Anlage auch Angaben hinsichtlich des Umfangs einer zugesagten Mietgarantie umfasst.

Die Prospekthaftung besteht für die Beteiligung an einer PublikumsKG, Bauherrenmodellen, den Erwerb im Bauträgermodell, Mischformen dieser Anlagearten und anderen Beteiligungen im Zusammenhang mit Immobilienanlage, etwa beim Immobilienleasing. Sie geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Sie knüpft nicht an persönliches, sondern an typisiertes Vertrauen an und setzt nicht voraus, dass der Anleger die für den Prospekt Verantwortlichen und ihre Mitwirkung kannte.

Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung gegen die Gründer und Initiatoren einer PublikumsKG verjähren in einem Jahr (bis zum In-Kraft-Treten des vierten Finanzmarktförderungsgesetzes zum 1.7.2002 in sechs Monaten) ab Kenntnis, spätestens aber in drei Jahren. Diese kurze Verjährungsfrist gilt auch für den Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einem Immobilienfond. Prospekthaftungsansprüche beim Bauherrenmodell verjähren dagegen in der Regelverjährungsfrist. (BGH-Urt. v. 7.7.2003 – II ZR 18/01)

Kreditfinanzierter Immobilienkauf kein verbundenes Geschäft

Bei einem finanzierten Immobilienerwerb ist grundsätzlich keine wirtschaftliche Einheit von Kaufvertrag und Darlehensvertrag anzunehmen, weil auch der rechtsunkundige und unerfahrene Laie merkt, dass Kreditgeber und Verkäufer verschiedene Personen sind. Der bloße Umstand, dass der Zweck des Darlehens in der Finanzierung des Immobilienerwerbs liegt, führt nicht zu einer Verflechtung im Sinne wirtschaftlicher Einheit.

Ein Darlehen und eine Kapitalanlage kann jedoch dann als verbundenes Geschäft und somit als eine wirtschaftliche Einheit bewertet werden, wenn eine enge persönliche und sachliche Verflechtung von Bank und Anlagegesellschaft vorliegt.

Die bloße Vermittlung von Darlehens- und Anlagevertrag mit nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich unterschiedlichen Vertragspartnern ist jedenfalls dann, wenn die Bank ihre Rolle als Kreditgeber nicht überschreitet, für die Annahme eines verbundenen Geschäfts nicht ausreichend. (OLG Frankfurt, Urt. v. 29.4.2003 – 9 U 93/02)

Mieterhöhungsverzicht des Vermieters

Vermieter und Mieter können während des Mietverhältnisses eine Erhöhung der Miete z. B. als Staffelmiete oder als Indexmiete vereinbaren. Bei der Staffelmiete wird im Vertrag festgelegt, wann künftig die Miete um welchen Betrag steigt.

Im Falle der Indexmiete wird die Entwicklung des Mietzinses durch die Änderung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Indexes bestimmt. Die Erhöhung erfolgt nicht automatisch mit der Bekanntgabe des neuen Indexes, sondern die Veränderung der Miete muss durch eine Erklärung in Textform geltend gemacht werden. In dieser Erklärung sind die eingetretene Änderung des Indexes sowie die jeweilige Miete oder die Erhöhung in einem Geldbetrag anzugeben. Die geänderte Miete ist mit Beginn des übernächsten Monats nach dem Zugang der Erklärung zu entrichten.

Sowohl bei der Staffelmiete als auch bei der Indexmiete gilt zu beachten, dass zwischen den einzelnen Mieterhöhungen mindestens ein Jahr liegen muss und die Vereinbarung schriftlich zu erfolgen hat.

Von einem Verzicht auf die vertraglich vereinbarten Mieterhöhungen ist in der Praxis regelmäßig nicht auszugehen. An das Vorliegen eines eventuellen Mieterhöhungsverzichts werden hohe Anforderungen gestellt. Fehlt es an einer schriftlichen Verzichtserklärung, so ist der Mieter beweispflichtig, dass mit dem Vermieter eine entsprechende (mündliche) Erklärung vereinbart wurde. (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.2003 – 24 U 74/02)

Mietvertrag auf unbestimmte Zeit infolge formwidriger Mietanpassung

Wird eine vom Vermieter geltend gemachte unberechtigte Mietanpassung vom Mieter nicht beanstandet und zahlt dieser widerspruchslos die verlangte erhöhte Miete für einen Zeitraum von nahezu 18 Monaten, liegt hierin grundsätzlich eine konkludente Vereinbarung über eine Mietzinserhöhung.

In einer stillschweigend getroffenen Abrede über die Erhöhung der Miete liegt regelmäßig eine ohne Einhaltung der Schriftform erfolgte wesentliche Vertragsänderung, die zur Folge hat, dass der ursprünglich auf eine feste Laufzeit unter Ausschluss einer ordentlichen Kündigung geschlossene Vertrag nun auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Dem durch die Mieterhöhung begünstigten Vermieter ist es jedoch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den infolge der Vereinbarung eingetretenen Formmangel zu berufen und das Mietverhältnis ordentlich zu kündigen. (OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.12.2002 – 17 U 97/02)